Spielend lernen
Warum das Freispiel so wichtig für die Entwicklung von Kindern ist

Ob Bauklötze stapeln, Puppen bekochen, malen, matschen, Sandburgen bauen oder sich mit Stöcken in mächtige Fantasie-Ritter verwandeln – Kinder tun es immer und überall: spielen. Was so unspektakulär aussieht, gehört zu den wichtigsten Prozessen in der menschlichen Entwicklung. Denn das Spielen fördert nicht nur die kognitive Entwicklung, sondern auch motorische Fertigkeiten und das Einüben sozialer Regeln. Der Spieltrieb ist so tief in uns verwurzelt, dass selbst Erwachsene das Spielfieber noch mit Haut und Haar packen kann. Umso wichtiger ist es, gerade Kindern genug Freiraum zum selbstversunkenen Spielen einzuräumen.

„Im Spiel begreifen wir die Welt wortwörtlich, ahmen wir Verhaltensweisen nach und treten in Kontakt zu anderen“, so Jutta Brendel-Müller, Montessori-Pädagogin und Leiterin des evangelischen Kindergartens „Unterm Regenbogen“ in Schwaig. Vor allem im Freispiel, also dann, wenn Kinder Spielinhalt, Spielort und Spielart frei bestimmen, kommen zahlreiche Lernprozesse in Gang.

Um ein Freispielangebot wahrzunehmen, müssen die Kinder sich nämlich erst einmal darüber klar werden, was sie wann und wo mit wem spielen möchten. Eigene Bedürfnisse zu erkennen und auszusprechen, ist ein wichtiger Schritt in der Entwicklung von Selbstbewusstsein. Spielen Kinder in der Gruppe – beispielsweise in der Bau- oder Puppenecke –, müssen sie aber auch das Erleben und Verhalten ihres Gegenübers erkennen und akzeptieren lernen. „Im freien Spiel kommunizieren die Kinder ständig miteinander. Sie lernen, sich in andere hineinzuversetzen und eigene Eindrücke im Gespräch mit ihrem Gegenüber zu überprüfen“, so Brendel-Müller. Sei es, dass zwei kleine Baumeister einen Plan für ein gemeinsames Gebäude austüfteln, oder dass eine ganze Gruppe an Kindern Familie spielt. Rollen müssen verteilt, Regeln aufgestellt, unklare Situationen geklärt und ein gemeinsamer Spielverlauf entwickelt werden. Besonders in altersgemischten Kindergartengruppen entsteht so ein lebendiger Austausch zwischen Großen und Kleinen: Die Jüngeren orientieren sich an den Erfahrungen der Älteren, die wiederum lernen, Rücksicht zu nehmen, Sachverhalte zu erklären und eine Vorbildrolle einzunehmen.

Im ungeregelten Freispiel kommt es natürlich auch zu Konfliktsituationen, wenn Eigen- und Fremdwahrnehmung sich aneinander reiben. Aufgabe der Erwachsenen ist es dann, den Kindern Lösungsstrategien für einen offenen und fairen Umgang miteinander aufzuzeigen. Gleichzeitig liefern solche Situationen wertvolle Hinweise, welche Inhalte noch weiter vertieft, welche Fertigkeiten noch geübt, welche Stärken ausgebaut werden können. Oder, wie es der griechische Philosoph Platon formulierte: „Beim Spiel kann man einen Menschen in einer Stunde besser kennenlernen, als im Gespräch in einem Jahr.“
Und so bildet das Freispiel einen ganzen Kosmos an Möglichkeiten ab. Denn spielen ist wahrnehmen, verhandeln, begreifen und erkennen. Und letztendlich eine Tätigkeit, die aus reiner Freude ausgeübt wird und Erwachsenen wie Kindern jede Menge Lebenslust schafft.